Der Kommunalpolitische Kongress zählt zu den wichtigsten grenzüberschreitenden Aktivitäten der Landsmannschaft Ostpreußen. Unter dem Motto „Das gemeinsame Erbe erhalten – die Zukunft gemeinsam gestalten" fand er Mitte Oktober zum bereits sechsten Mal statt – in diesem Jahr wieder auf heimatlichem Boden, in Allenstein.
Die gemeinsame Auseinandersetzung von Deutschen und Polen mit ihrer Geschichte und die daraus erwachsenden Aufgaben für die Zukunft standen in diesem Jahr im Mittelpunkt. „Dieser Kongreß verfolgt das Ziel, durch Dialog der ehemaligen mit den heutigen Bewohnern der Region Ermland und Masuren die Zusammenarbeit zwischen den ostpreußischen Heimatkreisen und der polnischen Selbstverwaltung zu verbessern", erklärte Gottfried Hufenbach, Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen und Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Allenstein in seinem Eröffnungsvortrag.
Zusammen mit polnischen Kommunalpolitikern, Historikern und Wirtschaftsvertretern berieten die deutschen Teilnehmer über Fragen von der Archivarbeit über gemeinsame Schulbücher bis zur Wirtschaftsförderung. Sechs Vorträge mit Diskussion, eine Ausstellungsbesichtigung im „Museum von Ermland und Masuren" und eine glänzende Abendveranstaltung mit dem Kammerorchester „Pro Musica Antiqua" unter Leitung von Leszel Szarzynski im Allensteiner Schloss deckten ein breites inhaltliches Spektrum ab. Rafal Gelo vom Staatsarchiv Allenstein berichtete über die Zusammenarbeit etwa bei genealogischen Anfragen oder in Eigentumsfragen. Lech Slodownik von der Polnischen Historischen Gesellschaft Elbing dankte den Vertriebenen dafür, wie sie mit ihren Reisen nach Ostpreußen zur Versöhnung beigetragen haben. Der Historiker Professor Janusz Jasinski (Allenstein) verwies darauf, daß bei der Beschäftigung mit der regionalen Geschichte der Blickwinkel oft verschieden sei. Während Deutsche eher das gesamte Ostpreußen im Blick hätten, konzentriere sich die polnische Perspektive auf dessen südliche Teile Ermland und Masuren.
In der Diskussion plädierte Lech Slodownik dafür, dennoch eine gemeinsame, deutsch-polnische Regionalgeschichte zu schreiben. Auch ein deutsch-polnisches Lehrbuch wäre eine wichtige Neuerung. Tatsächlich arbeiten deutsche und polnische Historiker im Auftrag der beiden Regierungen bereits seit 2003 an einem gemeinsamen Schulbuch für den Geschichtsunterricht. Vorbild ist das bereits in mehreren deutschen Bundesländern verwirklichte deutsch-französische Schulbuch. Hans-Jürgen Karp berichtete über die grenzüberschreitende Arbeit des Historischen Vereins für das Ermland, der auf eine bereits 152jährige Geschichte zurückblickt. Die Bereitschaft zur wissenschaftlichen Kooperation sei auf beiden Seiten gewachsen, dabei habe der Begriff des „kulturellen Gedächtnisses" große Bedeutung erlangt. Der traditionelle Heimatbegriff werde damit erweitert und in Richtung Zukunft geöffnet.
Um die Zukunft ging es auch in dem Vortrag von Reinhard Klein von der Deutsch-Polnischen Wirtschaftförderungsgesellschaft in Landsberg an der Warthe/Gorzów Wielkopolski. Sein Thema lautete: Wie mache ich meine Stadt interessant für Investoren? Deutsche Unternehmer locken vor allem die geringen Lohnkosten in Polen sowie der große und wachsende Absatzmarkt für ihre Produkte. Polnische Firmen, die nach Deutschland gehen, sind in erster Linie an der hohen Qualifikation von Fachkräften interessiert. Eine angeregte Diskussion entwickelte sich über teilweise unterschiedliche Mentalitäten. Ist es unter deutschen Geschäftsleuten üblich, schnell und direkt zur Sache zu kommen, so sehen es die meisten Polen lieber, wenn man sich im formlosen Gespräch erst einmal kennenlernt. Wie viel Gewicht solche Fragen haben, wurde deutlich, als Klein erklärte, dass noch immer 50 Prozent der möglichen Geschäfte deswegen nicht zustande kommen, weil die „Chemie" zwischen den potenziellen Partnern nicht stimmt.
Die Schirmherrschaft über den diesjährigen Kongreß hatte aus Anlaß des 30jährigen Jubiläums der Übernahme der Patenschaft für die Landsmannschaft Ostpreußen vor einigen Monaten Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein übernommen. Beckstein, der während des Kongresses noch im Amt war, hat ein Grußwort an die Kongreßteilnehmer übermittelt. „Bayern hat sich gerade im Verhältnis zu Ostpreußen immer durch Beständigkeit und Verläßlichkeit ausgezeichnet. das wird sich auch in Zukunft nicht ändern", bekundete Gottfried Hufenberg Zuversicht über die Fortsetzung der vertrauensvollen Patenschaft unter dem neuen Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Was den Kongress selbst angeht, so ist gewiss bemerkenswert, daß dabei polnische Kommunalpolitiker nicht nur den offenen Gedankenaustausch mit führenden Vertretern der Landsmannschaft Ostpreußen führen, sondern der LO angesichts eines Tagungsmottos „Das gemeinsame Erbe erhalten – die Zukunft gemeinsam gestalten" eine Rolle zubilligen, die ihr selbst in Deutschland nicht immer zugebilligt wird. Seiner Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen entsprechend wird der Kongress darum auch von der Bundesregierung finanziell gefördert.
Konrad Badenheuer